Zukunftsweisendes Bauen im Bestand: Wie Umnutzung und Nachrüstung Gebäude revitalisieren

Ehemalige Kaufhäuser, die als Büroflächen umgenutzt werden, oder denkmalgeschützte Prachtbauten, die zu Hotels umgebaut werden: Bauen im Bestand zeigt, wie bestehende Gebäude durch innovative Umnutzung und moderne Nachrüstung revitalisiert werden können und so nicht nur architektonische, sondern auch nachhaltige und wirtschaftliche Potenziale entfalten. GEZE Experte Sören Eilers gibt im Interview Tipps dazu, was beim Bauen im Bestand zu beachten ist und welche Vorteile gezielte Nachrüstungen und Modernisierungen bieten.

Zunächst zur Begriffsklärung: Worin unterscheiden sich „Gebäudesanierungen“ und „Bauen im Bestand“?

Gebäudesanierung und Bauen im Bestand unterscheiden sich in ihrer Zielsetzung und ihrem Fokus: Bei der Gebäudesanierung steht die Verbesserung des Zustands und der Funktionalität eines bestehenden Gebäudes im Vordergrund. Hierbei geht es häufig um energetische Sanierungen, um die Effizienz und Wirtschaftlichkeit eines Bestandsgebäudes zu steigern. Beim Bauen im Bestand stehen Baumaßnahmen im Fokus, durch die Gebäude an neue Nutzungsanforderungen angepasst werden. Hierzu zählen Umbauten, Aufstockungen oder Erweiterungen, um beispielsweise ein ehemaliges Bürogebäude in ein Hotel umzuwandeln. Während die Gebäudesanierung also den Erhalt und die Optimierung des Bestands fokussiert, zielt Bauen im Bestand stärker auf bauliche Veränderungen und Anpassungen an veränderte Nutzungsbedürfnisse ab.

Welche spezifischen Herausforderungen ergeben sich bei der Umnutzung eines Gebäudes, beispielsweise beim Umbau eines Bürogebäudes zu einem Hotel?

Bei einer Umnutzung von Räumen oder ganzen Gebäuden können Nachrüstungen die funktionale Vielseitigkeit des Gebäudes erhöhen und eine effizientere Nutzung der bestehenden Bausubstanz ermöglichen. Wird beispielsweise ein Bürogebäude in ein Hotel umgewandelt, ist eine Anpassung der Tür- und Fenstertechnik sowie der Gebäudeautomation an die neue Gebäudenutzung notwendig, um den geänderten Anforderungen an Nutzerbedürfnisse gerecht zu werden. Hinzu müssen bei Gebäudeumnutzungen baurechtliche Vorgaben wie Barrierefreiheit und Brandschutz beachtet werden. 

Können Sie genauer erklären, was für baurechtliche Vorgaben beim Bauen im Bestand zu beachten sind?

Bauen im Bestand stellt für Architekten und Gebäudebetreiber eine interessante Herausforderung dar: Auf Bestandsanalyse und -bewertung folgen Machbarkeitsstudien und Konzeptentwicklung, wobei rechtliche Rahmenbedingungen wie baurechtliche Vorgaben und gegebenenfalls Auflagen zum Denkmalschutz beachtet werden müssen. Vor allem Gebäudebetreiber müssen zahlreiche baurechtliche Auflagen und Vorgaben an die Barrierefreiheit einhalten. Neben den grundsätzlich geforderten Vorgaben der DIN 18040 werden immer mehr parallel die Bedienkräfte der Arbeitsstättenrichtlinie ASR V 3a.2 gefordert. Diese Regularien sorgen nicht nur für die Sicherheit und Zugänglichkeit aller Nutzer, sondern regeln auch potenzielle rechtliche Konsequenzen und Haftungsrisiken für die Betreiber. Die Einhaltung der Barrierefreiheitsvorgaben nach DIN 18040 ist daher ein wesentlicher Aspekt bei vielen Modernisierungen und Nachrüstungen. 

Ergeben sich aus diesen baurechtlichen Vorgaben und Normen auch Herausforderungen für Verarbeiter, die beispielsweise Türen mit neuen Türsystemen nachrüsten?

Ja, klar: Verarbeiter müssen sicherstellen, dass die neuen Türsysteme funktional, sicher und vorschriftsmäßig sind und gleichzeitig die Vorgaben des Bestandsgebäudes respektieren. Daher unterstützen wir Verarbeiter bei der Auswahl von Türsystemen, die mit den bestehenden Baumaterialien und -strukturen kompatibel sind und die beispielsweise die Vorgaben zu Brandschutz oder Barrierefreiheit erfüllen.

Bietet die gesetzlich vorgeschriebene Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden auch Synergieeffekte?

myGEZE Control

Effizientes und sicheres Gebäudeautomationssystem für GEZE-Produkte © GEZE GmbH

Selbstverständlich, denn Barrierefreiheit bringt auch viele weitere Vorteile, sowohl für Gebäudenutzer als auch für Gebäudebetreiber: Automatische Türen und Fenster ermöglichen eine kraftfreie Bedienung, die nicht nur für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, sondern auch für alle anderen Nutzer einen erhöhten Komfort bedeutet. So können Automatiktüren auch mit Kinderwagen, Gepäck oder einfach mit vollen Einkaufstüten bequem passiert werden. 

Und automatisierte Fenster, die ohne Kraftaufwand betätigt werden, machen auch das Lüften bequemer. Werden die automatisierten Fenster zudem in die Gebäudeleittechnik integriert, lassen sich auch das Lüftungsverhalten und somit die Raumluftqualität und Energieeffizienz optimieren. Durch diese Maßnahmen wird das Gebäude nicht nur inklusiver, sondern auch attraktiver für eine breitere Nutzergruppe – und das steigert auch den Wert einer Immobilie.

Inwiefern können Investitionen in moderne Tür-, Fenster- und Gebäudetechnik den Marktwert eines Gebäudes steigern?

Ein Gebäude, das den aktuellen technischen Standards entspricht und dabei den aktuellen Ansprüchen an Komfort und Sicherheit genügt, ist auf dem Immobilienmarkt deutlich attraktiver. Es spricht potenzielle Käufer und Mieter eher an und kann somit zu besseren Miet- oder Verkaufspreisen führen.

Welche konkreten Vorteile bringt die Nachrüstung bestehender Gebäude mit moderner Tür- und Fenstertechnik mit sich?

Beim Bauen im Bestand bietet die Nachrüstung von Tür- und Fenstertechnik sowie Gebäudeautomationssystemen eine Vielzahl von Vorteilen, die über die reine Erfüllung gesetzlicher Vorgaben hinausgehen: Sie erhöhen die Sicherheit und den Komfort für alle Nutzer, tragen zu einem effizienten Gebäudebetrieb und zu mehr Nachhaltigkeit bei und steigern zudem den Wert des Gebäudes. Für Architekten und Gebäudebetreiber lohnt es sich daher, in innovative Technologien zu investieren und bestehende Gebäude entsprechend zu modernisieren und umzurüsten.

  • Ein entscheidender Vorteil dieser Modernisierungsmaßnahmen ist ihre Modularität. Die Systeme lassen sich in der Regel vergleichsweise einfach nachrüsten – selbst wenn zuvor keine Vorinstallationen vorhanden waren. Dadurch können Bestandsimmobilien schrittweise an den neuesten Stand der Technik angepasst werden.
  • Moderne Antriebstechniken sind außerdem nicht nur wartungsärmer, sondern bieten auch einen deutlich erhöhten Bedienkomfort, was gerade bei einer Raum- oder Gebäudeumnutzung zu entscheidenden Verbesserungen führen kann. 
  • Ein weiterer wichtiger Punkt: Moderne Systeme sind nachhaltiger und reduzieren sowohl den Zeit- als auch den Kostenaufwand für die Instandhaltung. Darüber hinaus sorgen sie für eine höhere Energieeffizienz, was langfristig zu Einsparungen bei den Betriebskosten führt.

Können Sie an einem Beispiel erklären, wie die Nachrüstung moderner Gebäudetechnik die Energieeffizienz und damit die Betriebskosten eines Gebäudes verbessern kann?

Klimaaktive Fassade

Energieeffizientes Raumklima durch die kontrollierte natürliche Lüftung mittels Fensterantriebe aus der IQ windowdrives-Reihe.

Durch den Einbau intelligenter und automatisierter Systeme lassen sich oftmals große Einsparungen beim Energieverbrauch erzielen. Ein Beispiel sind moderne Automatiktüren, die Wärmeverluste durch effizientes Öffnen und Schließen vermeiden. In Eingangsbereichen sind sogenannte Windfangsysteme optimal, bei denen zwei Automatiktüren hintereinander angeordnet sind. Dieses Schleusenprinzip hält die Innentemperatur stabil und verhindert gleichzeitig, dass Schmutz in das Gebäude gelangt. So lassen sich nicht nur Heizkosten reduzieren, sondern auch der Reinigungsaufwand.

Auch im Bereich der Fenster gibt es vielversprechende Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung: Fensterantriebe mit intelligenter Sensorik ermöglichen eine bedarfsgerechte und automatisierte Lüftung. So lassen sich die Raumtemperatur und Luftqualität optimal regulieren, was meist effizienter ist als manuelles Lüften und im Winter durch geringere Wärmeverluste Heizkosten reduziert.

Eine weitere effiziente Methode, das Klima in Gebäuden zu verbessern und gleichzeitig Energie zu sparen, ist die automatische Nachtauskühlung: Hier wird über elektrisch angesteuerte Fenster die angesammelte Wärme nachts nach außen geleitet – einfach über natürliche Druckgefälle und ganz ohne zusätzliche Energie.

Insgesamt zeigt sich, dass die gezielte Nachrüstung moderner Gebäudetechnik ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz und damit zur Senkung der Betriebskosten bietet. Mit vergleichsweise wenig Investitionskosten lassen sich bereits große Effekte erzielen. So können Bestandsgebäude fit für die Zukunft gemacht werden.

Stichwort Zukunft: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit beim Bauen im Bestand?

Kö-Bogen II und Schauspielhaus Düsseldorf

Der Kö-Bogen II mit Europas größter Grünfassade und das Schauspielhaus sind beeindruckende Landmarken in der Düsseldorfer Innenstadt. © Jürgen Biniasch / GEZE GmbH

Spätestens seit dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG), das die energetischen Anforderungen an Neubau und Sanierung von Gebäuden regelt, spielen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz beim Bauen im Bestand eine zentrale Rolle – schließlich soll der gesamte Gebäudebestand in der EU bis spätestens 2050 klimaneutral sein, in Deutschland sogar bereits bis 2045. Hier ist der Handlungsbedarf bei Neubauten und Bestandsgebäuden also enorm.

Erfahren Sie in unserem Expertengespräch wie sich die Anforderungen des GEG mit Gebäudeautomation lösen lassen.

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Welche besonderen Anforderungen stellen Denkmalschutzauflagen an die Modernisierung von Bestandsbauten?

Geplante Änderungen an einem denkmalgeschützten Gebäude müssen sehr sorgfältig und umfangreich begründet werden. Ein Beispiel ist die denkmalgeschützte Laiszhalle in Hamburg: Hier war es erforderlich, die baulichen Eingriffe im Zuge der Modernisierung detailliert baurechtlich zu begründen, um die Genehmigung der Denkmalbehörde zu erhalten. Hier konnten wir automatisierte Lüftung und Rauch-Wärme-Abzugsanlagen (RWA) miteinander kombinieren. Das Beispiel des Magdeburger Doms zeigt, dass kreative Lösungen möglich sind, die Denkmalschutz und Modernisierung in Einklang bringen. Anstatt aufwendige Kabelverlegungen vorzunehmen, konnten wir hier eine kabellose Funkerweiterung für den Brandschutz installieren. Das sparte erheblich Zeit und Kosten, da aufwendige Kabelverlegungen zu den vorgeschriebenen Deckenmeldern nicht notwendig waren.

MEHR ZUR KABELLOSEN FUNKERWEITERUNG FA GC 170

Gibt es weitere Beispiele für kreative Lösungsansätze, um die Anforderungen des Denkmalschutzes bei Bestandsgebäuden zu erfüllen?

Gerade beim Bauen im Bestand sind oft Sonderlösungen gefragt. Beispielsweise können wir Tür- und Fenstersysteme oder Gebäudetechnik in speziellen Farben oder Einbausituationen realisieren, um sie perfekt an die historische Architektur anzupassen. Solche maßgeschneiderten Sonderlösungen kommen beispielsweise im denkmalgeschützten Gare de Montreux in der Schweiz oder im 4-Sterne-Hotel und Spa Radisson Blu Malo-Les-Bains im französischen Dunkerque zum Einsatz.

Der sensible Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden erfordert also ein hohes Maß an Kreativität und Fingerspitzengefühl. Nur so lassen sich die Anforderungen von Denkmalpflege und Modernisierung in Einklang bringen und zukunftsfähige Lösungen finden.

Wie gehen Sie vor, um den Bedürfnissen der Planer, Gebäudebetreiber und Gebäudenutzer gleichermaßen gerecht zu werden?

Dafür ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich. Wir empfehlen einen frühzeitigen und kontinuierlichen Dialog mit allen Beteiligten. Von Beginn an bemühen wir uns darum, Kontakt zu Architekten als Generalverantwortlichen, TGA-Planern und weiteren Fachplanern herzustellen. Idealerweise lassen sich alle Akteure zu gemeinsamen Terminen zusammenbringen – auch wenn das in der Praxis nicht immer einfach zu realisieren ist. Anstatt lediglich Fragen zu stellen, ist es uns wichtig, die relevanten baurechtlichen und nachhaltigen Themen klar anzusprechen und als gesetzte Zielvorgaben in den Planungsprozess einzubringen. Dazu gehören beispielsweise energetische Standards, regionale Brandschutzanforderungen oder Vorgaben zur Barrierefreiheit.

Durch diese proaktive Herangehensweise können potenzielle Konflikte bereits im Vorfeld erkannt und Lösungen gemeinsam erarbeitet werden. So lassen sich die Bedürfnisse aller Beteiligten bestmöglich berücksichtigen und in ein stimmiges Gesamtkonzept überführen.